Zauberland

Stiefelchen, derliebenswürdige Troll vom alten Steinbruch, erzählte mir von seiner romantischenund abenteuerlichen Höhlenwanderung mit seinen Gefährten, dem Glühwürmchen Glühchen und dem Professor Friedel GlowWorm, von seinem Sohn Griffin, von Elfen, Feen und Felsenrittern.


                                              Zauberland

 

Stiefelchen, der liebenswürdige Troll vom altenSteinbruch, erzählt mir von seiner romantischen und abenteuerlichenHöhlenwanderung mit  seinen Gefährten,dem Glühwürmchen Glühchen und dem Professor Friedel Glow Worm, von seinem SohnGriffin, von Elfen, Feen und Felsenrittern.

 

 

Neulich hat Stiefelchen mich mal wieder besucht. Wir sindin lockerer Verbindung geblieben, seit ich seine Familie gezeichnet habe.

„Was machsten so?“, fragte er beiläufig.  

Ich erzählte ihm, dass ich Geschichten schriebe und mirdas viel Freude machte. Er schwieg. Darum fragte ich ihn, wie denn so seinSommer gewesen sei am alten Steinbruch.

„Ach, feucht“, seufzte er, „und viele Insekten!“ Er kratztesich am Bein. „Die Ernte war gut“, fuhr er fort.

„Ernte?“ fragte ich, „was für eine Ernte?“

„Na, Früchte und Blüten und so, Nüsse. Wir hatten viel zuEssen.“ Wieder schwieg er.

„Was esst ihr denn so?“ bohrte ich ein bisschen.

„Nüsse, Beeren, Blüten, Getreide. Manchmal grillen wiruns fette Maden und kleine Mäuse, mmmmhh.“

„Danke, Danke!“  winkte ich ab, denn es würgte mich. Die Chipsund Erdnusslocken, die neben mir standen, rochen mit einem Mal scheußlich. Bewegtesich nicht sogar einige der Erdnusswürmchen?

 

Ich seufzte. „Welche Blüten esst ihr denn so?“

„Kamille und Mohn und… ich kenne ein paar leckereSalatrezepte, soll ich sie dir diktieren?“

„Später!“, antwortete ich. Langes Schweigen.

„Was steht denn in deinen Geschichten drin?“

Ich erzählte ihm von Schlawine Schlafmütz und KurtiWürmchen. „Die kenn ich!“ meinte er und winkte mit der Hand ab.  „Ein ähnliches Pärchen wohnt ganz in meinerNähe im Steinbruch bei unserer Höhle.“

Dann druckste er ein bisschen und sagte: „Ich kenne aucheine Geschichte!“

„So?“, fragte ich erstaunt.

„Ja.  Willst du siehören?“

„Darf ich sie mitschreiben und dann veröffentlichen?“,schlug ich vor. Er wurde rot, schluckte und nickte dann mit dem Kopf.  Doch er hatte Bedenken. 

„Sie endet aber traurig.“

„Hab ich gemerkt, du wirkst die ganze Zeit schon sobedrückt auf mich.

Er ließ den Kopf hängen. „Ja, ich habe einen guten Freundverloren. Aber weißt du, ich glaube, wir sollten seine Geschichte aufschreiben.Er hat es verdient, dass die Welt ihn kennenlernt!“

 

„Leg los, Stiefelchen!“, sagte ich und öffnete eine neueSeite im Word-Programm. Stiefelchen setzte sich neben meinen Bildschirm undmachte es sich bequem.

„Willst du ein Glas Wasser?“

Er nickte.  „Weißtdu, ich erzähle sie so, als wenn wir miteinander sprechen.

Oben am Steinbruch haben wir Trolle unser Zuhause.Vielleicht sollte ich den Lesern meine Familie kurz vorstellen?“

„Na, klar!“, stimmte ich zu. „Außerdem können wir allesnoch ändern!“ Er nickte beruhigt.

„Also, ich lebe in einer schönen, luftigen Wohnungzusammen mit Myrna, meiner Frau, meiner Mutter, Onkel Ari, meinem Sohn Griffinund meiner Tochter Gunnar. Du hast ja unsere Portraits schon gezeichnet, sodass die Leser sich ein Bild machen können.

 

Ich habe dir noch nie erzählt, dass wir den Großteil desWinters in unseren Höhlen verbringen. Nur im Sommer leben wir oben amSteinbruch in unserer Sommerwohnung. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel,wenn ich dir den genauen Eingang zu unserer Winterhöhle verschweige. Es ist,ehrlich gesagt, auch so verzwickt, dass ich es gar nicht genau erklären könnte.

Jedenfalls ist das Innere des Steinbruches und weiteStrecken des anliegenden Waldes von einem riesigen Höhlensystem untergraben. Esgibt dort sogar richtige Edelsteinhöhlen, in deren Mitte riesige Kristalleleuchten.

 

Aber sie sind nichts im Vergleich zu den Höhlen meinerVerwandten in den Pyrenäen. Dort gibt es Höhlen, die nur aus Edelsteinenbestehen.  

Oh, ha!“ machte er und schwieg eine Zeitlang.

„Jedenfalls in unseren Höhlen hier werden nicht nur wirTrolle, sondern auch viele andere Lebewesen während der langen, dunklenWintermonate unterrichtet!“

 

„Unterrichtet?“, warf ich erstaunt ein.

„Ja!“  bestätigteer.  „Käfer, Fledermäuse, Insekten allerArt, Trolle, Feen und Elfen und andere gehen dort aus und ein - in Schulen oderzu Seminaren. Alle wollen sich weiterbilden. Meinen guten Freund habe ich in so einem Seminar kennen gelernt. Ichmachte eine Fortbildung in Sachen nächtlicher Beleuchtung, Heizsysteme und sowas in dieser Richtung, verstehst du?“   

Erstaunt nickte ich mit dem Kopf.

 

„Weißt du, Viv, es fällt mir nicht leicht, dir dieseGeschichte zu erzählen. Ich werde viele Geheimnisse aufdecken müssen und dirund den Lesern von Dingen berichten, die euch Menschen nicht vertraut sind.Unseren Umgang mit Feen, den Geistern der Höhlen, den sprechenden Felsen undvieles mehr.

Aber zunächst zum Glühwürmchenseminar. Ich wollte, wiegesagt, unsere Beleuchtungsanlage verbessern. Dazu haben wir bei ProfessorFriedel Glow Worm ein sehr schweres Unterrichtsprogramm abgehalten. Wirlernten, dass die Erzeugung von kaltem Licht durch Lebewesen Biolumineszenzgenannt wird. Bei Leuchtkäfern reagiert dabei Luciferinunter Anwesenheit des Katalysator-Enzyms Luciferase mit Adenosintriphosphatund Sauerstoff.Die dabei freigesetzte Energie wird fast nur in Form von Licht und nur zu einemgeringen Teil als Wärme abgegeben. Und wir sollten lernen,  welche biologischen Enzyme die Leuchtkraftder Käfer verbessern könne, welche Nahrung sie zu sich nehmen sollten.

 

„Du liebe Güte!“, rief ich aus.

Stiefelchen kratzte sich nochmals ausführlich, nahm einengroßen Schluck Wasser  und fuhr fort.

„Mein Sitznachbar damals war ein junges Glühwürmchen, dessenLeuchtkraft nicht richtig funktionierte. Er wollte lernen, wie er seineFähigkeit verbessern könne. Wir freundeten uns an. Er hieß Glühchen. Er gehörtezur Familie der  Federleuchtkäfer  (Phengodidae).“

 

„Wie schreibt man das?“, stöhnte ich.

Er buchstabierte. „Ihre Leuchtorgane sind wie die derLarven als seitliche Reihen am Hinterleib angeordnet und senden gelbes odergrünes Licht aus. Am Kopf befindet sich manchmal ebenfalls ein Leuchtorgan, dasmit rotem Licht eine ziemlich ungewöhnliche Lichtfarbe aussendet.

Die Männchen sind kleiner als die Weibchen, geflügelt,und besitzen gefiederte Fühler, daher der Name.

 

Wie gesagt, Glühchen war damit überfordert und brauchteHilfe.

Seine Familie kam aus Südamerika und er war durch eineabenteuerliche Reise bei uns gelandet. Kälte vertrug er nicht gut.

Er war immer lustig und vergnügt, konnte aber auchschnell seine Zuversicht verlieren. Oft machte er Witze über den Professor, sodass ich ab und zu losprustete. Das hat mir einige Verweise eingebracht.

 

Eines Wintertages nun kam ein schwerer Sturm auf, dukannst dich bestimmt an den schweren Sturm erinnern?“

„Ich glaube ja“, nickte ich. „Es wurden viele Bäume entwurzeltan diesem schlimmen Tag!“

„ Also, wir saßen noch ziemlich spät zusammen, um zulernen, da krachte es mit einmal in den Höhlen wie ein schweres Erdbeben. Jemandriss die Tür zu unserem Raum auf  undbrüllte: „Rettet euch! Die Decke stürzt ein!“

Wir fielen alle übereinander und versuchten aus, dem Raumherauszukommen. Ich rannte sofort zu Griffin, der  im Nachbarzimmer über Wohnungsbau getüftelthatte.

„Lass uns zusammen bleiben!“, rief ich und packte ihn ander Schulter. Wir hasteten los, stolperten beinahe über eine  Elfe, deren Flügel verletzt war. Wir halfenihr auf und rannten zusammen weiter.

 

Es war ein Inferno. Die einbrechenden Wassermassen rissenuns mit sich. Glühchen versuchte zu fliegen,  wurde aber ebenfalls mit dem Sog fortgespült.Die Elfe, mein Sohn und ich wurden kopfüber ins Wasser gepresst und bergabgeschwemmt.

Zum Glück konnten wir ab und zu Luft holen.

Nach endlos langer Zeit, jedenfalls kam es mir so vor,landeten wir in einem großen Seebecken. Erleichtet hörte ich meinen Sohn nebenmir schnaufen und auch die Elfe tauchte aus den Fluten auf. Wir retteten unsans Ufer und schnappten erschöpft nach Luft. Immer mehr von uns Schülern wurdenangeschwemmt. Auch Friedel Glow Worm war unter den Geretteten.

„Alle hierher!“, hörte ich seine Stimme schallen. „DieGeretteten helfen den anderen!“

Seine Kommandos brachten ein wenig Ordnung in dasDurcheinander. Zunächst waren  alleverstört und beschäftigt. Später versuchten wir,  unsere Sachen zu trocken, halfen denen, dienoch angeschwemmt wurden. Die meisten hatten zwar Prellungen, manche blutetenein wenig, aber wirklich schwer verletzt war niemand. Erst Stunden später kamenwir zur Ruhe und sahen uns um, wo wir eigentlich gelandet waren. Niemand kanntesich aus. Es war eine sehr geheimnisvolle Höhle, sie schimmerte im wunderbaren,sanften, blauen Licht des Sees. Das Wasser war aufgewühlt durch Schlamm unddiese herabstürzende Flut, aber weiter hinten war das Wasser ganz ruhig undschimmerte blau. Es war, als würde es von unten her beleuchtet, wirklichwunderschön.

Irgendwann hörte der Wasserstrom  auf, in das Becken zu fließen.

Er herrschte nun eine vollkommene Stille in dieser riesigen,geheimnisvollen Höhle, die uns beruhigte und irgendwie gefangen nahm. Wirflüsterten nur noch.  

 

Wir waren eine ganze Menge. Sie sind mir nicht mehr alleim Gedächtnis. Zunächst waren da zwei Fledermäuse, pudelnass und sehrverschreckt. Dann kam eine kleine Eule angeschwemmt. Auch sie war  unverletzt geblieben. Die Fledermäuse verabschiedetensich sofort. Befürchteten wohl, als Gaumenschmaus für die Eule zu enden. Siehängten sich irgendwo an die Decke und waren froh, nochmal davon gekommen zusein.

Zwei kleine Zwerge lagen mir zu Füßen und ich half ihnenauf die Beine. Dann eine Biene, die sich verflogen  und versucht hatte, in den Höhlen zuüberwintern. Glühchen und Professor Glow Worm blieben die einzigenGlühwürmchen. Ein Eichhörnchen ist mir im Gedächtnis, das aber schnell davonflitzte. Noch einige andere Trolle wurden angeschwemmt, sie waren mir abernicht näher bekannt und wir gingen getrennte Wege.

 

 

Der Professor machte einen Vorschlag: „Das Beste ist, dakeiner von uns sich hier auskennt, wir teilen uns in vier Gruppen und erkundendie Umgebung.“

Damit waren alle einverstanden. Wir beschlossen, uns nacheinigen Tagen wieder beim See einzufinden, um unsere Erfahrungen auszutauschenund gemeinsam den Rückweg anzutreten.

 Wir waren  in größter Sorge, wie es unseren Familienergangen sein könnte und trachteten danach, so schnell wie möglich etwas inErfahrung zu bringen. Nur soviel  andieser Stelle, meine Familie war gänzlich unversehrt geblieben. Der Teil, indem wir lebten, war so sicher, dass sie gar nichts von dem Sturm mitbekommenhatten. Erst später lebten sie in großer Sorge um uns und stelltenSuchmannschaften zusammen.

 

Ich wanderte los mit Griffin, mit der Elfe RedanaSonnenstaub, deren Flügel nur langsam heilte, den beiden Zwergen  Marlo und Valm, die sich unablässig stritten,und Glühchen.

Redana konnte sich im Allgemeinen unsichtbar machen, dochwar ihr diese Fähigkeit abhanden gekommen. Sie war zu sehr geschwächt, um ihreEnergie so anzuheben, dass wir sie nicht mehr sehen konnten.

 

Das Glück blieb uns treu. Wir wanderten zunächst durch hoheweitläufige Höhlenräume, die immer wieder große Spalten aufwiesen. So gelangtenSonnenstrahlen auf den Höhlenboden, da wuchsen Gräser und Blumen und Getreide,so dass wir genug zu Essen hatten. Außerdem tröstete es uns, das Tageslicht,manchmal sogar den Himmel, sehen zu können. Leider waren die Felsen zu steil,um dran hoch zu klettern. Stundenlang wanderten wir durch dämmrige Gewölbe undenge Stollen. Aber einen Ausgang fanden wir nicht.

Plötzlich machten die Zwerge, die die ganze Zeit über geknufftund gekabbelt hatten, einen Sprung in die Höhe vor Schreck.

„Was war das?“ riefen sie.

Ein Dröhnen ertönte tief unten aus der Erde, wie Schläge.Wir dachten an ein neues Erdbeben und versuchten, uns irgendwie in Sicherheitzu bringen.

 

„Hier!“,  riefGriffin zu uns herüber. „Ein Tor!“

Er stand vor einer festen Holztür, die mit eisernenBeschlägen versehen war. Wir eilten zu ihm und sahen, dass aus den Ritzen untenkleine Rauch oder Staubwolken aufpusteten. Mutig zog Griffin am Ring undstaunte. Denn ganz leicht ging die schwere Tür auf und eine Wolke schwarzenStaubes kam uns entgegen und ließ uns husten. Nach einigen Augenblicken legtesich der Nebel und wir betraten den Höhlenraum, immer noch hörten wir diemerkwürdigen metallenen Schläge unter dem Fußboden. Das hohe, weite Gewölbeschien abgeschlossen zu sein, einen Durchgang fanden wir nicht. Glühchen ließsich jedoch nicht entmutigen. Er flog umher und spähte in verschiedene Spaltenhinein, immer abwechselnd rot, grün oder gelb. Und tatsächlich fand er tief verborgenhinter einer Wand einen schmalen Gang.

 „Folgt mir“,flüsterte er uns zu.

Im Lichte von Glühchen´s flackernden Farben tasteten wiruns langsam voran. Plötzlich schrien die Zwerge erschrocken auf undverschwanden vor unseren Augen.  Sie warenkopfüber seitlich gelegene unsichtbare Stufen herunter gerollt und rieben sich schimpfendihre schmerzenden Knie.

 „Glühchen, kommher und leuchte uns!“, befahlen sie unwirsch. Wir folgten Glühchen die Stufenhinab und standen in einem kreisrunden Raum.

„Seht nach, ob es einen Durchgang gibt“, flüsterteGriffin.

Wir krochen auf dem Boden herum und lugten in jedeSpalte, fanden jedoch nichts. Dann tasteten wir die Wände entlang. „Glühchen,leuchte mal hierher.“  

„Nein, komm her, ich glaube, hier habe ich was entdeckt“,flüsterten wir alle durcheinander.

Zu unserem größten Schrecken begann dieser Raum mit einemMal, sich zu bewegen. Es knackte laut, knirschte und scharrte, und sofortbewegte sich der ganze Fußboden abwärts. Dabei drehte er sich um sich selbst.Die Wände glitten langsam an uns vorbei, mit Hilfe von Glühchen´s flackerndem Strahlenerkannten wir große gemauerte Quader aus Stein.

Unvermittelt bremste der Fahrstuhl, eine Tür schob sichauf und wir stürmten hinaus.

„Schnell, lauft!“, riefen die Zwerge aufgeregt. Wir machten,dass wir davon kamen.

Erst jetzt bemerkten wir, dass hier eine große Stilleherrschte, von den Schlägen war nichts mehr zu hören. Jedoch sahen wir eine Gestalt,die schnell davon huschte und wir hörten jemanden kichern.

Eigentlich wollte ich die vage Gestalt verfolgen, jedochließ ich davon ab. Wir alle staunten ehrfürchtig die Umgebung an, in die wirgetreten waren, und vergaßen unsere Erschöpfung.

 

Die Halle, in der wir uns umsahen, schien endlos hoch undinmitten eines mittelgroßen Sees lag eine gigantische Quarzgruppe auf dem Grundwie eine umgekehrte Pyramide aus Edelsteinen. Sie leuchtete in einem warmen,sanften Licht und erhellte den Raum fast bis zur Decke.

 

Einige der Spitzendieser herrlichen Gruppe erhob sich mehrere Meter in die Höhe. Im Zentrumdieser wunderschönen violett leuchtenden Kristallgruppe gab es eine Fontäne, dieaus den herrlichsten violett abgestuften Farben bestand und sanft am Kristallherablief.  

Wir staunten dieseGruppe an und spürten ihre Kraft, die sie ausstrahlte und uns mit neuer Energieversorgte. Es war eine traumhafte, verwunschene Situation, die uns in ihrenBann zog.

Wir ließen uns amRande des Sees nieder und ruhten uns aus.

Ich schlief, glaubeich,  ein.

 

Jedenfalls wurde ich mit einem Mal recht unsanft gewecktdurch laute Stimmen.

„Wagt es nur!“, hörte ich meinen Sohn rufen.

Und Glühchen brüllte: „Wartet, wenn wir euch erwischen,dass wird euch schlecht bekommen!“

Glühchen und mein Sohn hatten sich davon geschlichen, umheraus zu bekommen, wer uns da belauerte. Sie zogen einen kleinen verängstigtenMarienkäfer hinter einem Felsen hervor. „Wer bist du?“, herrschte mein Sohn ihnan.

„Aber Griffin“, lispelte der Winzling, „erkennst du unsdenn nicht. Wie haben doch ebenfalls einen Weg zurück gesucht!“ 

„Professor, es sind Griffin und sein Vater!“, rief erdurch die Halle. Fünf  Köpfe lugtengleichzeitig über einem Felsen empor, hinter dem sie sich versteckt hatten.

 

Erleichtert erkannten wir unsere Gefährten um FriedelGlow Worm und seine Truppe, die uns voller Furcht ausgespäht hatte. Der Weg,dem sie gefolgt waren, endete ebenfalls hier am See. Wir schlossen uns in dieArme und wollten von nun an gemeinsam den Rückweg suchen. Seine Gruppe bestandebenfalls aus sechs Gefährten, zwei  ältere Trolle, die sich dem Professor williguntergeordnet hatten,  dem kleinenMarienkäfer Pünktchen und einem jungen, bissigen, besonders hübschen Trollfräulein.Sie hatte ein Runenseminar besucht, als sie vom Sturm überrascht wurde. Ichbeobachtete, wie sie und Griffin sich misstrauisch beäugten und so taten, alsseien sie sich absolut gleichgültig.

Ha, ha!“, lachte Stiefelchen jetzt.  „Kannst dir denken, wie das endete!“

 

„Haben sie sich verliebt?“, fragte ich neugierig.

„Später“, meinte er und winkte ab. Er gähnte herzhaft.Müde fuhr er fort.

„Redana Sonnenstaub fiel einer dicken älteren Fee um denHals. Diese war von Friedel gefunden worden und hatte sich der Gruppeangeschlossen. Redana kannte sie gut und stellte sie uns vor: „Dies ist  Wolgerine Rosentau.  Sie verfügt über ein reichhaltigesHeilwissen und ist  sehr berühmt unter Ihresgleichen.Sie hat mir gerade berichtet, dass sie ebenfalls von dem Sturm in fremdeGebiete geschwemmt worden ist, hat aber dank ihrer Zaubersprüche allesunbeschadet überstanden. Ich freue mich sehr, dass sie uns nun begleiten wird.“ 

Die dicke Fee zierte sich ein bisschen, freute sich aberdoch über die Anerkennung. Gutgelaunt gab sie uns die Hand und untersuchtesofort den Flügel der verletzten Elfe. In einem kleinen Topf, den sie offenbarimmer bei sich am Gürtel trug, holte sie ein wenig Wasser und setzte einenTrank auf. Sie konnte mit ihrem Zauberstab Feuer machen.

„Das Wasser allein würde deinen Flügel schon heilen“,lachte sie. „Es ist besonderes  Wasser.Aber ich habe ein paar Kräuter gefunden, damit geht’s noch schneller.“

 Sie machte Redanaeinen Breiumschlag am Flügel und verarztete auch die kleinen Wunden der anderen.

 

Die Trolle und die beiden Zwerge setzten sich gleichnieder und spielten Karten. Wir anderen berieten, welcher Route wir folgensollten. Ein wenig schuldbewusst erkannten wir, dass wir so ohne weiteres nichtzu den anderen beiden Gruppen zurückkehren konnten, denn wir würden den Rückweggar nicht wiederfinden!

 Das hatten wir beiunseren schönen Plan nicht bedacht! Selbst Redana, die eigentlich zurückfliegenwollte, kannte den Mechanismus nicht, um den Fahrtstuhl nach oben in Gang zubekommen. Auch  Friedels Gruppe hatte ganzund gar die Orientierung verloren. Es stellte sich übrigens heraus, dassFriedel und seine Kameraden nichts von den Schlägen gehört hatten.

 

 

Friedels Gruppe besaß sehr viel zu Essen, so dass wiralle herzhaft zulangten und uns stärkten. Wir beschlossen, uns auszuschlafenund dann gemeinsam weiterzuziehen. Nun – es sollte anders kommen!“

Stiefelchen machte eine Pause und seufzte tief.

„Für heute ist es genug“, sagte er zu mir.  „Wenn ich darf, dann komme ich übermorgenwieder.“

„Na, du kannst es spannend machen!  Gut“, nickte ich.  „Bin einverstanden. Aber vergiss es nicht. Ichbin auch müde,

aber ich will wissen, wie es weitergeht!“

Er grinste. Und fort war er.

Stiefelchen kam erst eine Woche später wieder. Ichempfing ihn mit heftigen Vorwürfen.

„Na, weißt du, einen so auf die Folter zu spannen!“

 

Er grinste und legte ein Geschenk vor meine Tastatur.

„Hier, von den anderen.“

„Den anderen?“ Ich sah ihn fragend an.

„Ich habe mich mit Redana und Wolgerine getroffen und mitmeinem Sohn und… na, ja, sie freuen sich, dass du die Geschichte aufschreibstund danken dir.“

„Oh!“, sagte ich und hob einen hübschen kleinen Amethyst auf.

„Danke! Sag das auch den anderen, ja?“

 

Stiefelchen nickte und machte es sich bequem. Dann fuhrer  mit seinem Abenteuer fort.

„In dieser Nacht, in der wir uns für den Rückweg stärkenwollten, erlebte ich etwas Unheimliches. Es hat mich sehr mitgenommen.

Anstatt tief zu schlafen, wachte ich jäh auf. Ich hörteeine Stimme, die mich anrief: „Komm, steh auf und folge mir!“

Erst glaubte ich, mein Sohn hätte mich gerufen, doch derlag friedlich schlafend an meiner Seite.

Ich stand auf und spähte umher. Dann sah ich einendunklen  Schatten, der mich heran winkte.Ich ging eine kleine Strecke von der Gruppe fort und stand mit einem Mal aneiner schmalen Spalte. Dort glitzerte und leuchtete es, als würden winzigeSterne tanzen. Irisierendes Licht und leichte Nebelschwaden verbargen dieSicht. Fasziniert ließ ich mich in diesen Eingang  locken und befand mich in einer verzaubertenWelt. 

Es war überirdisch still, kein Laut war zu hören, immerdichtere Dunstschleier griffen wie mit Fangarmen nach mir. Duftige Lichtersprühten auf, in den Felsen schimmerte es wie Perlen und Edelsteine.

Vorsichtig tastete ich mich vorwärts. Unvermutet endeteder Gang und ich stand vor einem beeindruckenden Portal. Säulen leuchtetendurch die Nebelschwaden, Skulpturen schmückten das Gewölbe über dem Eingang.

Ich blickte nach oben. Das Gebäude erschien mir unendlichhoch. Es verschwand in  der Dunkelheitwie ein Turm im Nebel.

Neugierig schritt ich durch das Portal und gelangte ineinen hohen Raum, der von sanftem Licht erhellt wurde. Kandelaber hingen an derKuppel, von den Leuchtern hingen tropfenförmige schimmernde Perlen undKristalle herab. Blutroter Granat zierte die Wände, Juwelen in allen Farbenbildeten Muster und Ornamente. Ich staunte über alle Maßen. So etwas hatte ichnoch nie gesehen. Es schimmerte und glitzerte in jeder Ecke, farbiges Lichtleuchtete in allen Regenbogenfarben an den Wänden.

 

Ich schob mich vorsichtig an einer Wandleiste entlang.Mein Fuß stieß gegen eine niedrige Fußbank und ich sank erschöpft nieder. Imselben Moment knirschte und  knarrte esund eine Nische öffnete sich in der schimmernden Wand vor mir. Wieder hörte ichdie Stimme: „Folge mir…“

Die Öffnung war gerade groß genug, dass ichdurchschlüpfen konnte, der Gang recht kurz, schon bemerkte ich wieder diesesfarbige Schimmern. Jedoch, als ich näher trat, stand ich vor einer Wand, inderen Mitte ein goldener Ring prangte. Langsam drehte ich mit großerAnstrengung den Ring herum. Die steinerne Tür öffnete sich und ich erstarrte.Ich blickte in eine finstere Grotte, die Wände waren nass und die Luft durchdrungenvon klammer Kälte.  An dergegenüberliegenden Wand sah ich eine weiße, phosphoreszierende Gestalt, die dieArme nach mir ausstreckte und langsam näher kam. Ich erstarrte vor Entsetzen!“

 

„Meine Güte, Stiefelchen, was hat er dir getan?“

 Ich schaute ihnerschrocken an. Es gruselte mich. Stiefelchen grinste mich schief an.

„Willst du´s wirklich wissen?“

„Na klar! Los, erzähl…“, drängelte ich.

Draußen stürmte es und der Wind heulte ums Haus.

Stiefelchen lachte ein bisschen gepresst.

 „Na, ja ich stießeinen Schrei aus  und - erwachte!

Griffin rüttelte mich an den Schultern, ich schlug ummich, bis ich zu mir kam. Griffin schaute mich besorgt an.

„Was war denn?“ 

„Ein Albtraum!“, stöhnte ich.

„Beruhige dich“, grinste er, „alles ist in Ordnung!“

 

Aber damit irrte er sich. Ich brauchte einige Zeit, ummich zu erholen. Dieser Traum war eine Vorahnung auf die kommenden Ereignisse.Ich habe heute noch jede Einzelheit der Bilder ganz deutlich im Gedächtnis.

Vor allem die Schönheit dieser überirdischen Kirche oder Tempels.“

 

Stiefelchen nahm einen großen Schluck aus dem Wasserglas.Ich merkte ihm seine Ergriffenheit an.

„Nun, wir machten uns auf den Weg. Ich fühlte mich wieerschlagen und schleppte mich müde vorwärts. Wir waren kaum eine Stunde unterwegs,da wurden wir aufgehalten. Eine Gestalt trat uns in den Weg. Ich hatte denEindruck, sie sei direkt aus den Felsen gekommen. Wir erschraken, denn der alteMann sah unheimlich aus. Ich nenne ihn einfachheitshalber den Langustenmann. Erwirkte mürrisch und finster, bemühte sich um Freundlichkeit, doch es gelang ihmnicht. Seine Hände waren grässlich. Sie leuchteten rot wie ein gekochter Krebsund, schlimmer noch, sie sahen auch so aus wie die Scheren eines Hummers odereiner Languste. Er war von abscheulicher Gestalt.

 

Glühchen leuchtete rot am Kopf vor Empörung. Er stelltesich vor die Gestalt hin und tobte: „Was erschreckst du uns denn so, dualberner gekochter Hummer. Lass uns vorbei, wir haben es eilig!“ Nun ja, diesförderte nicht unbedingt die gegenseitig Freundschaft.

 

 Der Langustenmann quetschtezwischen den Zähnen hervor:  „MeineHerrschaft bittet die Gefährten zu sich. Wollen Sie bitte der Einladungfolgen  und  mich begleiten?“

 „Nix da!“,schimpfte Glühchen und summte dem Alten um den Kopf. Griffin und ich stelltenuns vor ihn hin und fragten ihn, was denn sein Begehren sei.

 „Der Felsenkönigselbst und die Herrscherin des Kristalls lassen euch zu sich bitten. Siebenötigen eure Hilfe!“, näselte er.

Nun wurden wir doch neugierig. Plötzlich erinnerte ichmich an meinen Traum. Der scheußliche Langustenmann sah dem  nächtlichen Gespenst ziemlich ähnlich. Ich warnicht bereit, ihm zu folgen. Wir beschlossen weiterzuziehen. Glühchentriumphierte. „Fort mit dir, du schmieriger Krebs!“, lachte er. „Mach die Bahnfrei!“

 Und gutgelauntschwirrte er davon.

Unser Weg führte uns durch eine herrliche Landschaft. Wir bemerkten wunderschöne Gärten mit vielfarbigen Blumen.

ÜppigeFelder, große Berge, ausgedehnte, dichtbewachsene Wälder und atemberaubende Wasserfälle,die in verwunschene, blaugrüne Seen strömten, säumten unseren Weg.
Auf den funkelnden Seen sahen wir Boote treiben, bunt, gepflegt und irgendwieverwunschen, doch alles lag eingebettet am Grunde hoher Felsenmauern.

Als wir um einen Felsen bogen,stand eine wunderschöne Frau vor uns. Nie zuvor hatte ich ein so leuchtendesLebewesen erblickt. Sie grüßte mit einer ausholenden Bewegung und lächelte unsan. Sprachlos blieben wir in einiger Entfernung stehen.

„Kommt bitte näher!“, sprachsie uns an mit einer tiefen, klangvollen Stimme. Ich war wie verzaubert und denanderen ging es ebenso.  Irgendwie wussteich sofort, dass dies die Kristallkönigin sein musste. Ihre überirdischeSchönheit zog uns in ihren Bann und wir vergaßen die Zeit.

Sie stand dort in einherrliches Pupurgewand gekleidet. Es war durchwoben mit goldenen Litzen undSpitzen und umhüllte  in vielen Faltenihre schlanke Gestalt. Das Kleid fiel bis zum Boden, wo es in kleinenFaltenwürfen aufwogte.  Prächtigwallende  blonde Locken umrahmten ihrAntlitz. Sie fielen in lauter ebenmäßigen Wellen bis über die Hüften. Funkelnde,tiefblaue Augen blickten uns an, ihr Kopf war geschmückt mit einem goldenenReifen, Edelsteine sprühten auf. In ihrer Hand schimmerte ein Kelch wie  ein gläserner Kristall. BlumengeschmückteKränze hingen von ihren Armgelenken. Und zarte Schleier wehten um ihreSchultern.

 

Wieder winkte sie uns näher zusich und bat uns, mit ihr zu kommen. Wir folgten ihr ohne eine einzigeWiderrede.

Sie führte uns durch ein hohesPortal in ihr verwunschenes Reich. Es war eine Salzhöhle, ganz und gar weiß,eine riesige Höhle aus reinem, weißen Salz. Felsen, Bänke, Säulen,  Bögen und Durchgänge, Kandelaber aus reinemSalz hingen von den hohen Decken. Wir konnten uns gar nicht sattsehen.

Sie ließ uns setzten undbrachte uns große Schalen voller Früchte und anderer Köstlichkeiten. Ziemlichgierig schlugen wir uns die Bäuche voll.

Dann bat sie uns zu einem Gespräch...

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 
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